Compliance-Hürde Auslandsgeschäft
Deutsche Unternehmen sind Exportweltmeister und werden auch im Jahr 2017 laut Berechnungen des Ifo-Instituts mit einem Exportüberschuss von 257 Milliarden Euro wieder Spitzenreiter. Doch beim Geschäftsverkehr im Ausland werden deutsche Organisationen mit rechtlichen Fallstricken konfrontiert. Um eine saubere Weste zu behalten und zu kontrollieren, dass sich Mitarbeiter an internationale Gesetze halten, braucht es künstliche Intelligenz.
Die aktuelle politische Lage stellt deutsche Unternehmen, die neue Märkte erschließen wollen, vor Herausforderungen. In den USA will Präsident Donald Trump das Außenhandelsdefizit des Landes zurückfahren. Der Beschluss der Briten, aus der europäischen Union auszutreten, führt in Europa zu Unsicherheit. Und dann ist da noch die wachsende Konkurrenz aus Fernost: China sichert sich zunehmend Einfluss in wichtigen Märkten und folgt Deutschland beim Exportüberschuss dicht auf den Fersen. Doch deutsche Unternehmen wollen trotz der schwierigen Ausgangslage auf dem Weltmarkt mitmischen. So wollen 71 Prozent durch eine Expansion ins Ausland ihre Position im Welthandel sichern – das ergab unsere Umfrage unter 256 Entscheidern.
Viele Gesetze und Kommunikationskanäle stellen Risiken dar
Doch zu den politischen kommen auch rechtliche Risiken hinzu. Wer grenzüberschreitend Geschäfte machen will, der muss zahlreiche nationale, internationale und interne Regeln und Gesetze kennen – und einhalten. Hier fühlt sich jeder zweite Manager überfordert. Es mangelt an einem umfassenden Überblick über alle relevanten Regelungen. Doch nicht nur das, teilweise verstoßen Unternehmen auch absichtlich gegen Gesetze. Mehr als die Hälfte sieht Rechtsbruch als notwendig an, um sich an lokale Gegebenheiten anzupassen und Geschäftsbeziehungen zu pflegen. Schmiergelder und Gefälligkeiten gehören für ein Drittel zum Auslandsgeschäft dazu.
Solches Gebaren kann allerdings üble Folgen haben: Die rechtlichen Verstöße können Ermittlungen im Bereich Korruption oder Kartelluntersuchungen nach sich ziehen. Um hohe Bußgelder und Reputationsverlust zu vermeiden, müssen Unternehmen sicherstellen, dass alle Mitarbeiter sich an die Gesetze halten. Doch genau hier liegt die Krux. Wie kann die Einhaltung effektiv kontrolliert und Compliance-Verstöße aufgedeckt werden, wo doch heute über zahlreiche Kanäle wie E-Mail, Telefon, WhatsApp oder Soziale Netzwerke mit ausländischen Geschäftspartnern kommuniziert wird? Aus diesen Unmengen an Daten die relevanten Informationen herauszufiltern, ist nicht leicht. Und die Zeit arbeitet ebenso gegen Unternehmen: Nur eine schnelle Aufklärung kann unter Umständen zu einer Bußgeldminderung führen. Was Firmen brauchen, um Verstöße zu verhindern oder im Ernstfall schnell aufzudecken, sind klare Compliance-Regeln – und künstliche Intelligenz.
Tipps für die Einhaltung von Compliance
Zuallererst sollten klare Regeln für Auslandsgeschäfte festgeschrieben und allen Angestellten – am besten regelmäßig – kommuniziert werden. Dies ist zum Beispiel mit einer Schulung aller Mitarbeiter möglich. Dabei helfen kann auch ein Compliance-Management-System. Klar ist: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, Wissen möglicherweise schon. Allerdings genügt es nicht, die Belegschaft bloß über die Rechtslage zu informieren. Unternehmen müssen auch kontrollieren, ob die Gesetze eingehalten werden. Dazu sollte Compliance gelebt werden – zum Beispiel, indem sie als fester Bestandteil der Unternehmensstrategie fungiert. Wenn die Einhaltung von Compliance in den Zielvorgaben für Mitarbeiter und Führungskräfte berücksichtigt wird, hilft das bei der Verinnerlichung des Themas.
Auf technischer Ebene können sogenannte Mock Dawn Raids bei der Umsetzung der Compliance-Kontrolle unterstützen. Dawn Raids sind „Untersuchungen im Morgengrauen“, also unangekündigte Durchsuchungen von Beamten des Bundeskartellamts oder der Europäischen Kommission. Sie erfolgen bei Verdacht auf Kartellrechtsverstößen. Mock Dawn Raids hingegen sind nachgestellte Durchsuchungen. Wenn ein Unternehmen Dritte dafür beauftragt, diese nachgestellten „Razzien“ intern durchzuführen, kann für den Ernstfall geübt und Mitarbeiter für das Thema Compliance sensibilisiert werden. Auch können so Schwachstellen sichtbar gemacht und entsprechend ausgemerzt werden.
Zeit ist Geld – auch bei Kartelluntersuchungen
Ist Compliance in den Köpfen der Mitarbeiter verankert und der Ernstfall erprobt, sinken rechtliche Risiken. Allerdings lassen sich Gesetzesverstöße, seien sie auch unwissentlich passiert, nie ganz ausschließen. Fördern Mock Dawn Raids oder eine Compliance-Prüfung Auffälligkeiten zutage, sollten Unternehmen die Chance nutzen und handeln, anstatt darauf zu hoffen, unbemerkt davon zu kommen. Entscheider sollten sich zunächst einen Überblick über die Lage verschaffen und mögliche Handlungsoptionen prüfen. Dies bestimmt einerseits die Verteidigungsstrategie, falls es zu Ermittlungen kommt, und ermöglicht andererseits eine Kooperation mit Behörden, um Strafen zu mindern – zum Beispiel durch eine Selbstanzeige.
Auf jeden Fall ist es wichtig, sofort aktiv an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Denn wer sich als erster Kartellbeteiligter den Behörden stellt, kann straffrei aus der Sache herauskommen. Um das zu erreichen oder wenigstens eine Bußgeldminderung zu erwirken, brauchen Unternehmen digitale Hilfsmittel. Selbst mit vielen Juristen kann eine Untersuchung mehrere Monate in Anspruch nehmen. Mit einer Ediscovery-Lösung können die großen Datenmengen jedoch schnell verarbeitet werden. Mittels künstlicher Intelligenz, die einen wesentlichen Baustein der Methode ausmacht, können Daten aus verschiedenen Kommunikationskanälen gefiltert und gesichtet werden. Daher ist hier auch die Rede von Technology Assisted Review. Die Technologie macht es Unternehmen einfacher, alle relevanten Daten zusammenzutragen und nach Datum und Stichwort einzugrenzen. Damit beschleunigt Ediscovery den Review-Prozess, macht den Aufwand berechenbarer und verbessert die Qualität der Ergebnisse signifikant.
Unter Einsatz von Ediscovery können Untersuchungen also schneller abgeschlossen und der „Risikofaktor Mensch“ umgangen werden. Denn künstliche Intelligenz ist im Vergleich zum Menschen auch deutlich fehlerresistenter und rund um die Uhr einsetzbar.