Neue Studie: Deutsche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Geschäftserfolg und Gesetzestreue
Wenn Unternehmen im Ausland Geschäfte machen wollen, brauchen sie kulturelles Fingerspitzengefühl. Heikler wird es, wenn sie auf lokale Gegebenheiten stoßen, die mit deutschem Recht in Konflikt stehen. Unsere aktuelle Studie zeigt: Für eine Mehrheit der Unternehmen ist der wirtschaftliche Erfolg wichtiger als Compliance.
Es sind bewegte Zeiten für deutsche Unternehmen: der Brexit, die Handelspolitik von Präsident Trump, neue Player auf dem Weltmarkt. Angesichts dieser Entwicklungen wagen Unternehmen den Blick über den Tellerrand und halten Ausschau nach Möglichkeiten, ihr Geschäft weiterzuentwickeln. Sie wollen in neue Märkte expandieren, um bessere Konditionen für ihren Einkauf und neue Absatzchancen zu sichern. In Deutschland planen drei von vier Unternehmen ihr Auslandsgeschäft auszubauen. Das ergab unsere aktuelle Umfrage unter Entscheidern deutscher Unternehmen.
Unternehmen kennen rechtliche Risiken, sorgen aber nicht ausreichend für Compliance
Doch die Expansion ins Ausland birgt Risiken, nicht zuletzt rechtliche. Bewusst ist das vielen: Knapp 70 Prozent aller Befragten sehen sich mit juristischen Herausforderungen konfrontiert. Laut Umfrage haben vier von fünf Unternehmen aus diesem Grund Regeln für internationale Geschäftsbeziehungen festgelegt. In der Theorie klingt das gut. Doch in der Praxis hapert es mit der Umsetzung. Nur jeder zweite Betrieb (57 Prozent) kontrolliert, ob sich die Mitarbeiter auch an diese Vorschriften halten. Das bedeutet, dass gut die Hälfte der Unternehmen sträflich vernachlässigen, was im Ausland unter ihrem Namen passiert. Eine Nachlässigkeit, die Unternehmen im Ernstfall teuer zu stehen kommt: Bei Verstößen drohen nicht nur Reputationsschäden und Geldstrafen, sondern in schweren Fällen der Entzug von Betriebslizenzen.
Trotz der drohenden Strafen tun sich Unternehmen bei der Compliance-Kontrolle schwer. Das liegt unter anderem daran, dass eine Vielzahl an nationalen und internationalen Gesetzen beachtet werden muss. Hier den Überblick zu behalten, fällt nicht leicht. Es kann durchaus vorkommen, dass Mitarbeitern gar nicht bewusst ist, dass sie sich gesetzeswidrig verhalten. Teilweise fehlt ihnen aber auch schlicht das Risikobewusstsein. Sie verlassen sich darauf, dass „schon nichts passieren wird.“ Manche Compliance-Verstöße werden von Unternehmen aber auch bewusst in Kauf genommen. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist ein Geschäftserfolg untrennbar damit verbunden, sich an lokale Gegebenheiten anzupassen - auch dann, wenn diese gegen deutsches Recht verstoßen. 37 Prozent der Unternehmen geben sogar zu, dass Schmiergelder oder kleine Gefälligkeiten zu einem Geschäftsabschluss im Ausland dazugehören können. Besonders betroffen ist davon der Einkauf. Hier wird häufig die Beziehungspflege mit ausländischen Lieferanten über Transparenz und Regeleinhaltung gestellt: 67 Prozent Befragten wählen auch mal ein teureres oder weniger transparentes Angebot, um einen Geschäftspartner bei Laune zu halten.
Mit diesem Vorgehen verstoßen Firmen jedoch gegen Antikorruptionsrichtlinien. Schon ein vermeintlich unbedeutendes Fehlverhalten eines Mitarbeiters im Ausland kann eine Kettenreaktion auslösen – mit Auswirkungen auf das Geschäft hierzulande. Durch die internationalen Verflechtungen und länderübergreifend gültigen Gesetze, können auch zu Hause unangenehme Ermittlungen oder Sanktionen ins Haus stehen. Um sich abzusichern und ihren Ruf zu schützen, sollten Unternehmen also unbedingt darauf achten, dass alle Geschäfte legal und juristisch sauber ablaufen. Das gilt umso mehr, je wichtiger das Auslandsgeschäft für ein Unternehmen ist. Realistisch betrachtet, lässt sich zwar nicht jeder Regelverstoß verhindern. Wenn Unternehmen aber frühzeitig über problematische Vorgänge Bescheid wissen, können sie im Ernstfall schnell reagieren und mit den Behörden kooperieren.
Compliance im Ausland lässt sich auf vielen Wegen unterwandern
Doch wie kommt man Compliance-Verstößen am besten auf die Schliche? Ein Problem besteht darin, dass Informationen zu illegalen Absprachen oder halbseidenen Geschäften auf vielfältige Weise ausgetauscht werden. Am häufigsten werden laut unseren Umfrageergebnissen E-Mails und das Telefon genutzt (93 und 82 Prozent). Aber auch Social Media kommt immer mehr zum Einsatz: Rund ein Drittel (32 Prozent) kommunizieren über Chat- und Messenger-Dienste wie WhatsApp, Skype, Telegram oder ähnliche Angebote mit ausländischen Partnern. Hinzu kommen Business-Netzwerke wie LinkedIn oder XING (24 Prozent). Auch persönliche Treffen sind natürlich nach wie vor Teil der Kommunikation. Um zu überprüfen, ob alle Compliance-Richtlinien eingehalten werden, gilt also: Audits, ob präventiv oder reaktiv, sollten für ein umfassendes Bild möglichst all diese Kanäle einbeziehen.
„Die Komplexität grenzüberschreitender Untersuchungen ist sehr hoch, da nationale Gesetze ebenso wie lokale Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr beachtet werden müssen“, erklärt Dr. Christian Schefold LLM, Compliance-Experte bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons. „Hinzu kommt, dass die Datenmenge in Unternehmen exponentiell ansteigt und eine Vielzahl unterschiedlicher Kanäle bei einer Untersuchung berücksichtigt werden müssen. Um alle Daten zu sammeln, zu sichten und für eine Untersuchung aufzubereiten, bedienen sich Unternehmen Ediscovery-Lösungen. Diese helfen mittels künstlicher Intelligenz den Projektjuristen dabei, den Fall schnell und kostengünstig zu bearbeiten.“